PEPPOL mag unter Steuermanagern, Steuerexperten oder Buchhaltern immer noch nicht allgemein bekannt oder anerkannt sein. Es ist jedoch bereits ein Teil der Steuerwelt geworden. Sich mit den Lösungen und der Entwicklung dieses Systems vertraut zu machen, sollte auf der Tagesordnung der Akteure im Steuerbereich stehen.
Der nachstehende Text ist ein Versuch, die Art und Weise zu bewerten, in der PEPPOL (oder ähnliche Lösungen) die Vorgaben in Bezug auf Steuern und die Steuerkonformität revolutionieren können.
PEPPOL als Lösung für die elektronische Rechnungsstellung
PEPPOL wurde ursprünglich als Projekt initiiert, um eine standardisierte Lösung für die Beschaffungsprozesse von staatlichen Organisationen in der gesamten EU zu liefern. Seit 2008 haben sich in der gesamten EU in diesem Bereich bedeutende Entwicklungen vollzogen. Gegenwärtig erleben wir die weltweite Verbreitung dieser Lösung, die über das Modell der elektronischen Rechnungsstellung hinausgehen soll. Gegenwärtig wird das Projekt vom Nachfolger von PEPPOL, der Organisation OpenPEPPOL, betrieben.
Bevor PEPPOL EU-weit bekannt wurde, kam es zu einer ersten Umwälzung, als die Richtlinie 2010/45/EU zum gemeinsamen Umsatzsteuersystem (bezüglich der elektronischen Rechnungsstellung) in Kraft trat. Einige Länder waren beim Einsatz elektronischer Rechnungen bereits weit fortgeschritten. In vielen Ländern (insbesondere, aber nicht nur in der Region Mittelosteuropa) wurde eine solche Veränderung jedoch als revolutionär angesehen. Die Richtlinie hat die Verwendung von elektronischen Rechnungen ausgeweitet und popularisiert, indem sie die Verwendung verschiedener Formate (z. B. PDF) erlaubt. Infolgedessen wurde mit der Entwicklung einer Vielzahl von Modellen für die elektronische Rechnungsstellung begonnen, bei denen verschiedene Standards und technische Lösungen zum Einsatz kommen. Da es sich mehrheitlich um proprietäre Lösungen handelte, entwickelte sich die Landschaft der elektronischen Rechnungsstellung in der EU extrem diversifiziert und uneinheitlich.
Aus diesem Grund stellt die Richtlinie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Beschaffungswesen einen bemerkenswerten Meilenstein dar. Der Eckpfeiler dieses Dokuments war die Schaffung eines Standards für die elektronische Rechnungsstellung, der in allen EU-Ländern im B2G-Sektor interoperabel sein sollte. Die Richtlinie gab keine bestimmte zu verwendende Norm an, sondern legte vielmehr Kriterien fest, die für die Erstellung der Norm erfüllt sein mussten. Das ist der Grund, warum PEPPOL in den EU-Ländern für die Einführung von Lösungen für die elektronische Rechnungsstellung so beliebt geworden ist.
Das wichtigste Feature für den Erfolg der Richtlinie war, dass die elektronische Rechnung ein maschinenlesbares Dokument sein sollte, das vom Empfänger automatisch verarbeitet werden kann. PEPPOL erfüllt diese Anforderungen in hohem Maße und hat sich schnell zu einem bevorzugten Standard entwickelt. Der Hauptvorteil der Lösung besteht darin, dass sie sich auf die „Kommunikationssprache“ zwischen den Parteien der Transaktion (über so genannte Zugangspunkte) konzentriert und nicht auf die zu erfüllenden technischen Spezifikationen.
Im Gegensatz zu anderen Lösungen für die elektronische Rechnungsstellung (meist auf der Basis eines 3-Ecken-Modells) ermöglicht es PEPPOL so mehreren Parteien aus mehreren Gerichtsbarkeiten, sich wesentlich einfacher zu verbinden. Die Abhängigkeit von einem einzigen Dienstleister ist geringer. Mit der PEPPOL-Lösung können Handelspartner über zwei verschiedene Anbieter (4-Eck-Modell) eine Verbindung herstellen. Das bedeutet, dass z.B. ein niederländisches Unternehmen, das an einer Ausschreibung teilnehmen und eine Dienstleistung (Rechnung ausstellen) für eine Behörde in Belgien erbringen möchte, dies mit Hilfe eines niederländischen Dienstleisters tun kann, der die Verbindung mit einem Dienstleister in Belgien ermöglicht.
Die Richtlinie 2014/55/EU schreibt vor, dass die elektronische Rechnungsstellung im B2G-Handel in der gesamten EU innerhalb von zwei Stichtagen obligatorisch wird: April 2019 für zentrale/föderale europäische Behörden und im April 2020 für regionale und lokale Verwaltungsbehörden in der EU. Nach den jüngsten Berichten der EU mit Stand Ende des zweiten Quartals 2019 ist Rumänien das einzige Land, das die Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt hat.
Aktuelle PEPPOL-Landschaft
PEPPOL wird in 28 verschiedenen Ländern in Europa eingesetzt. Einige Regierungen (z. B. Belgien, Schweden, Norwegen, Niederlande) haben PEPPOL als den Hauptstandard oder empfohlenen Standard für die elektronische Rechnungsstellung im B2G-Bereich gewählt.
Mit seinem Erfolg in der EU hat sich PEPPOL durch die Schaffung seines internationalen Modells der elektronischen Rechnungsstellung bereits weltweit etabliert. Singapur ist das erste Land, das diesen Standard einführt. In Australien und Neuseeland hat der erste Anbieter von Zugangspunkte entsprechende Dienste angekündigt.
Nach den neuesten Daten umfasst die aktuelle PEPPOL-Landschaft
- 29 Länder mit zertifizierten Zugangspunkte
- 254 zertifizierte Zugangspunkte
- Mehr als 100 M Transaktionen zwischen zertifizierten Zugangspunkten in den letzten 12 Monaten
- 379 OpenPeppol-Mitglieder und Beobachter aus 34 Ländern
Technisch basiert PEPPOL auf dem EDI-Standard. Die vom PEPPOL-Netzwerk verwendete Standardnachricht heißt PEPPOL-UBL (Universal Business Language) und ist eine Variante von XML. Die neueste Version ist der PEPPOL BIS 3.0-Standard, der seit August 2019 obligatorisch ist. Gleichzeitig wird die PEPPOL BIS 2.0-Version nach dem 31. Dezember 2019 nicht mehr unterstützt.
Derzeit gibt es keinen weltweiten Standard für die elektronische Rechnungsstellung. PEPPOL beabsichtigt jedoch, der erste zu werden. Das System stellt bereits ein bewährtes Modell dar, das für die elektronische Rechnungsstellung im B2G-Bereich in der EU weit verbreitet ist. Nichtsdestotrotz strebt PEPPOL danach, noch mehr Innovationen in die Welt der Steuerkonformität zu bringen.
PEPPOL geht über die elektronische Rechnungsstellung hinaus
Neben der Standardisierung des Rechnungsstellungsprozesses, der Umsetzung der Interoperabilitäts- und Einsparungsperspektive gibt es eine weitere Dimension der Entwicklung digitaler Lösungen zur Rechnungsstellung. All dies sind zweifellos wichtige Triebkräfte für die Einführung standardisierter Modelle für die elektronische Rechnungsstellung.
Diese Perspektive, die in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist der Umsatzsteuerbetrug in der Europäischen Union. Es hat sich bereits gezeigt, dass der Ansatz der nachträglichen Prüfung kein wirksames Instrument ist und dass Steuerbetrug mit einem solchen Kontrollmodell nicht aufgedeckt werden kann.
Ein Bereich, in dem PEPPOL bald zu einem wichtigen Akteur werden könnte, sind daher innovative Lösungen für die Umsatzsteuer-Compliance. Diese bestehen oft in Form einer technischen Vorgabe, die mit dem Modell der Steuerbehörden vollständig kompatibel sein muss. Der Trend geht dahin, ein vordefiniertes Format für jene Daten zu schaffen, die an die Steuerbehörden übermittelt werden. Grundsätzlich gibt es zwei Modelle, für die derzeit Transaktionsdaten erforderlich sind: Meldepflicht und Steuerbefreiung.
Das erste Modell steht für die Meldung von Umsatzsteuer-Transaktionen als standardisierter Bericht (Listing) – z. B. SAF-T oder ähnliche Berichte (JPK in Polen, Kontrollbericht in der Tschechischen Republik), die entweder pro Meldeperiode (monatlich/vierteljährlich) oder (nahezu) in Echtzeit (SII) übermittelt werden können. Die Vorgaben für Meldungen sind in der EU bereits recht beliebt. Bis zu einem gewissen Grad sind sie mit dem von der OECD geschaffenen einheitlichen Standard (SAF-T) kompatibel. Ungarn befindet sich irgendwo in der Mitte des Weges von der Berichterstattung zum Clearing-Modell. Damit wurde die Rechnungsstellung in Echtzeit für Berichtszwecke eingeführt, ohne Einbeziehung der Genehmigung durch die Steuerbehörden.
Das zweite Modell ist ein Schritt weiter in die Zukunft in Bezug auf die Kontrolle und Überwachung der Transaktionen der Steuerpflichtigen durch die Steuerbehörden. Das Steuerbefreiungsmodell geht davon aus, dass die Transaktion (Rechnung) zuerst von den Steuerbehörden genehmigt (freigegeben) wird, bevor sie an den Kunden weitergegeben wird. Dieses Modell war bereits in lateinamerikanischen Ländern (z. B. Mexiko) beliebt und erfolgreich. In der EU ist dieses Modell bisher nur in Italien implementiert. In anderen Ländern wird dies noch diskutiert.
PEPPOL hat die Freigabelösung als 5-Eck-Modell vorgestellt, bei dem das Steuerbehördenportal zwischen den Zugangspunkten (Dienstleistern) eingefügt wird und für einen Validierungsschritt im Rechnungsstellungsprozess steht. Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Höchstwahrscheinlich werden wir erleben, wie PEPPOL (oder ähnliche Lösungen) die Revolution der Steuerkonformität (Berichterstattung) vorantreibt, indem es eine standardisierte Lösung für den Datenaustausch zwischen mehreren Behörden und Geschäftspartnern auf globaler Ebene bietet.
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